Verwandte werden als sexuell attraktiver empfunden!

Die Tabuisierung des Inzest scheint keine biologischen Gründe zu haben. Verwandte wirken anziehender als Fremde Menschen. In fast allen Kulturkreisen existiert das Inzest-Tabu. Zwischen engen Verwandten sind sexuelle Beziehungen gesellschaftlich verpönt und gesetzlich verboten. Eine Verletzung dieser Regeln zieht meist rechtliche und auch soziale Bestrafung nach sich. Viele Evolutionsforscher und Psychologen gingen bisher davon aus, dass es einen biologischen Grund für das Inzest-Tabu gibt – ein unbewusster Automatismus, mit dem Menschen die genetische Verwandtschaft eines Mitmenschen einschätzen können. Wenn zum Beispiel zwei Menschen in örtlicher Nähe aufwachsen und viele gemeinsame Kindheitserfahrungen teilen, ist die Wahrscheinlichkeit einer Verwandtschaft groß. Dies führt unbewusst dazu, dass der andere als sexuell unattraktiv eingeschätzt wird. Im Widerspruch dazu stehen aber Erkenntnisse aus der Attraktivitätsforschung, welche zeigen, dass gerade wegen ähnlicher Herkunft, Lebensumstände und Aussehen andere Menschen als attraktiver empfunden werden. Psychologen ist es nun gelungen, dieses Paradoxon aufzuklären. Mit drei Studien konnte gezeigt werden, dass genetisch ähnliche Menschen sich tatsächlich als sexuell besonders attraktiv einschätzen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass sie nicht wissen das eine genetische Verwandtschaft besteht.

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Wenn die Verwandtschaft bekannt ist, entsteht ein Umkehreffekt. Amerikanische Forscher fanden heraus, dass Fotos von Frauen und Männern als sexuell anziehender bewertet wurden, wenn vorher eine Fotografie der Mutter oder des Vaters des Studienteilnehmers kurz unterhalb der Bewusstseinsschwelle eingeblendet wurde. Dieser Effekt trat ebenfalls auf, wenn es sich bei den zu bewertenden Fotos um computergenerierte Bilder handelte, die aus leicht veränderten Elementen des eigenen Gesichts bestanden, also von jemandem mit genetischer Ähnlichkeit. Wenn die Teilnehmer aber von dieser Prozedur wussten, kehrte sich der Effekt sofort um. Die Gesichter wirkten nicht mehr sexuell anziehend auf die Testpersonen. Daraus folgern nun die Forscher, dass Verwandtschaft zu erhöhter sexueller Anziehung führt, beim Wissen darüber jedoch normalerweise sofort gehemmt wird. Eine veröffentlichte Studie deutet darauf hin, dass das in unserer Gesellschaft allgegenwärtige Inzest-Tabu eher eine bewusste gesellschaftliche Regulierung ist, um die sexuelle Anziehung zwischen genetisch Verwandten zu verhindern, als eine biologisch begründete Abneigung.